
Sechster Tag: Rund um den Mälaren und der letzte Rest der Erstausrüstung
31. August 2018
Achter Tag: Lahmer Anfang, starkes Ende
2. September 2018Bisher hatten wir rund 2.900km hinter uns gebracht; noch dazu steckte uns die kalte und verregnete Rückfahrt vom Vortag in den Knochen, sodass wir es am Ende der ersten Woche alles ein bisschen ruhiger haben angehen lassen. Schließlich muss man nicht immer weit fahren wenn es doch auch in der eigenen Region allerhand Dinge zu sehen und bestaunen gibt.
Nach einem erholsamen Schlaf und einem ausgedehnten Frühstück hatte sich das Wetter wieder beruhigt und ich habe im örtlichen Baumarkt nach nur zehn Minuten und dem Lesen von dutzenden bunten schwedischen Etiketten eine Dose mit dem benötigten Kontaktengörare gefunden - ich hatte nämlich zwischenzeitlich Probleme mit zu viel Feuchtigkeit in der Elektrik.
Danach sind wir ins 65km entfernte Holsbybrunn aufgebrochen. Dort liegt nämlich, etwas versteckt mitten in einem Wald, die Kleva Gruva, eine Touristenattraktion der besonderen Art: Die untere Hälfte des stillgelegten Bergwerks ist zwar überflutet - die obere ist jedoch begehbar; man kann es sich entweder bei einer Führung zeigen lassen oder - was weitaus interessanter ist - mit einer Taschenlampe in der Hand die Stollen auf eigene Faust erkunden. Wir haben uns selbstverständlich für letzteres entschieden. Zur Leih-Ausrüstung gehörten außerdem Gummistiefel, ein Helm (sehr gute Idee!) und ein Parker. Trotz der gemütlichen 20°C Außentemperatur herrschten im Berginneren erfrischende 2-3°C! Begrüßt wurden wir übrigens auf Deutsch; die Mine wird von zwei ausgewanderten Familien betrieben, mit denen wir später noch ausgiebige Gespräche geführt haben. Zuerst ging es aber runter in finstere Tiefen…
Der Eingang ist zunächst wenig spektakulär: Man geht durch einen hölzernen Vorbau durch ein altes Eisentor - ab hier wird es schlagartig erfrischend kühl - und geht ein paar hundert Meter geradeaus in den Berg hinein. Große Menschen wie ich haben es hier drin von Natur aus schwer: Der Gang ist nur an wenigen Stellen höher als etwa 1,50m - zum Glück hatte ich nicht nur eine lederne Kappe (wie die Bergarbeiter damals) sondern einen modernen Baustellenhelm auf der Rübe - denn selbiger wäre an diesem Tag ansonsten ziemlich häufig malträtiert worden... Spannend sind auch die Werkzeugspuren an den Wänden, die vor knapp 330 Jahren in den Stein geschlagen wurden; es ist schon beeindruckend wie die Leute damals mit vergleichsweise simplen Werkzeugen solche Höhlensysteme angelegt haben.
Insgesamt umfassen die Stollen etwa 6km Länge; da die Hälfte davon jedoch überflutet ist, sind auf diese Weise erstaunlich schöne und teils kristallklare Seen unter Tage entstanden. Der Rest der Stollen ist begehbar, allerdings wird etwa die Hälfte der Gänge nicht elektrisch beleuchtet, sodass man wie die Bergarbeiter damals nur mit einer Funzel in der Hand seinen Weg finden muss (ok, die Kumpel damals hatten nur eine Öllampe - demgegenüber ist unsere elektrische Taschenlampe natürlich eine gewaltige Verbesserung).
Nachdem wir alle Gänge ausreichend erforscht hatten ging es wieder raus ins Sonnenlicht; schon erstaunlich wie warm einem 20°C vorkommen können… Bei einem kleinen Plausch mit den Betreibern der Mine haben wir erfahren dass sie auch kleine Snacks anbieten. Also haben wir je eine Portion Elchwurst mit hausgemachtem Kartoffelsalat bestellt - und staunten nicht schlecht als wir bereits 30 Sekunden später unsere Teller bekamen. "Der Grill steht draußen, rechts um die Ecke!". Aha. Grill-it-yourself, coole Idee!
Weiter ging es in Richtung Jönköping, der Heimat von Husqarna. Übrigens hat die Firma ihren Namen von dem Ortsteil, in dem sie damals entstand: Huskvarna. Warum das k einem q weichen musste, habe ich bislang aber nicht verstanden. Für einen Besuch im Firmen-Museum waren wir zwar zu spät, haben aber schon einmal die Umgebung etwas erkundet. Unterwegs sind wir natürlich wieder an zahlreichen Seenlandschaften vorbeigekommen, von denen einer besonders herausstach, sodass wir dort unbedingt noch ein paar Bilder machen mussten. Dass dort ein Wohnmobil stand erstaunte uns weniger, dass aber eine Schwedin kurz nach uns mit dem Auto ankam, mal eben ein paar Runden durch den See geschwommen ist und danach gleich wieder weg gefahren ist hatten wir so nicht erwartet.
Nach ein paar Spaziergängen durch die Stadt haben wir es uns in einem kleinen Restaurant am Ufer des Vättern, des zweitgrößten schwedischen Sees, gemütlich gemacht. Nach einer wirklich hervorragenden Portion mediterraner Nudeln musste es noch einen Nachtisch geben - immerhin war Crème Brûlée im Angebot und die hatte Lars noch nie gegessen. Leider war der Koch wirklich begabt beim zubereiten von Hauptgerichten, war aber wohl damals krank, als in der Ausbildung die Zubereitung von Crème Brûlée durchgenommen wurde - so blieb Lars dieser normalerweise fabelhafte Nachtisch nicht so grandios in Erinnerung wie ich ihn ihm angepriesen hatte…
Auf dem Rückweg haben wir - wieder mal - einen kräftigen Regenschauer abbekommen. Zwar nicht so viel und so kalt wie am Vorabend, es hat aber gereicht um uns die nur etwa 30km kurze Rückfahrt nach Hause zu vermiesen. Als wir dann angekommen sind, haben wir wie immer die Motorräder vorm Haus abgestellt. Da dort nichts asphaltiert oder gepflastert war, mussten wir die Motorräder immer auf einem ebenerdigen Stück Rasen, der stellenweise mit dem festgetretenem Kies der Einfahrt bedeckt war, abstellen. Wie durchweicht der Boden von dem vielen Regen der Vortage wirklich gewesen ist, ist mir erst in dem Moment aufgefallen, als ich meine Tasche aus dem linken Seitenkoffer rausgeholt habe. Dieses kleine Ungleichgewicht hat nämlich schon ausgereicht um dem Motorrad den fatalen Impuls zur rechten Seite zu geben... Da ich mich schon weggedreht und die Hände voll hatte konnte ich nicht so schnell reagieren - außerdem hatte ich auf dem nassen Rasen eh keinen allzu guten Halt. Zum Glück stand Lars rechts neben dem Motorrad; er stand zwar mit dem Rücken zur CB, sein Bein hat aber tapfer den Großteil des Sturzes abgefangen. Die CB kam vorne mit dem Lenker und hinten auf dem Koffer zum liegen. Der Koffer hat nur ein paar Kratzer abbekommen, der Spiegel ist aber abgebrochen. Da ich ja vor etlichen Jahren schon auf Spiegelblinker umgerüstet habe, war das also keine Kleinigkeit (ansonsten: Wann braucht man schon den rechten Spiegel [außer auf der Autobahn]?). Die Elektrik hatte zum Glück nichts abbekommen und so beschloss ich mich am nächsten Tag darum zu kümmern - es war mittlerweile eh zu dunkel um noch vernünftig arbeiten zu können (die Fotos sind zwar vom Folgetag, gehören aber chronologisch hierher).
Achja, Lars' Bein ging es noch am selben Abend wieder prächtig - die CB hat nämlich keine Gelenke oder sonstige empfindliche Stellen erwischt.