
Tag 4: Oslo
18. Juni 2019
Tag 6: Morgendliches Drama, Mittägliche Motorrad-Traum-Strecke & Abendlicher Bilderbuch-Fjord
20. Juni 2019Bevor wir Oslo verließen hatten wir noch einen weiteren Sightseeing-Stop auf der Liste: Das Wikingerschiffmuseum. Wie für Norwegen üblich bezahlt man seine Parkgebühren auch hier an einem Automaten per Kreditkarte; andere Optionen gibt es hier nicht. An diesem speziellen Automaten musste man das Kennzeichen angeben - es war gar nicht so einfach dem Automaten das deutsche Kennzeichenformat klarzumachen; er hat partouot auf ein norwegisches 7-stelliges Nummernschild bestanden. Ähnlich viel Spaß hatten wir ein paar Tage später in Bergen erneut...
Wir waren früh dran und die ersten auf dem Parkplatz. Da wir so sehr in die Diskussion mit dem Parkautomaten versunken waren, haben wir gar nicht mitgekriegt das plötzlich ein Auto hinter uns geparkt hat - einzig durch den Splitt unter den eingeschlagenen Reifen beim Einparken haben wir es gehört; Elektroautos sind in Deutschland nach wie vor eine Seltenheit - hier oben jedoch nicht: Norwegen bezieht seinen Strom zu 100% aus erneuerbaren Energiequellen, zumeist aus Wasserkraftwerken (was bei der zerklüfteten Küste und den tausenden von Wasserfällen nicht überraschend ist). Jedenfalls ist Strom hier oben derart günstig, dass niemand einen Gedanken daran verschwedent das Licht auszuschalten (viele öffentliche Gebäude haben gar keine Lichtschalter). Es ist daher wenig verwunderlich das Norweger bevorzugt Elektroautos kaufen (etwa eines von fünf Autos in Norwegen ist ein Tesla - und zwei weitere von fünfen sind Volvos).
Das Museum ist zwar klein (das Weitwinkel-Objektiv zu benutzen war die richtige Entscheidung) aber schwer beeindruckend! In drei von vier Seitengängen sind die (unterschiedlich gut erhaltenen) Überreste des "Oseberschiffes", des "Gokstadschifffes" und des "Tuneschiffes" aufgebaut. Im vierten Seitengang des kreuzförmigen Gebäudes sind all die Gegenstände ausgestellt, die man auf bzw. in dem Osebergschiff gefunden hat - sogar ein hölzerner Wagen mit vielen geschitzten Verzierungen ist dabei (soweit ich mich erinnere ist das der einzige seiner Art und man weiß erst seit diesem Fund mit Gewissheit, dass die Nordeuropäer schon vor über 1.100 Jahren Wagen dieser Art gebaut haben bzw. Pferde zum Ziehen der voll beladenen Wagen eingesetzt haben). Insgesamt ist das Musem zwar klein und übersichtlich - es steckt jedoch voller Überraschungen und ist in jedem Fall einen Besuch wert!
Nachdem wir Oslo verlassen hatten, haben wir einen kleinen Schlenker nach Osten eingelegt - dort stehen nämlich die Überreste der Kirche von Nes. An der Landspitze, an der sich die Flüsse Vorma und Glomma vereinen, fand man menschliche Überreste aus der Steinzeit, die auf eine religiöse Kultstätte hindeuten. Später wurde hier eine Kirche errichtet, die im Laufe der Jahrhunderte mehrfach abbrannte. Wenn die Flüsse über die Ufer traten wurde das Gelände überflutet - einmal sogar so stark, dass der umliegende Friedhof unterspült wurde und zahlreiche Särge und Leichenahme zurück ans Tageslicht brachte. Im 19. Jahrhundert ist zudem der Pastor gestorben; manche Quellen berichten von einem Suizid in der Kirche - andere auch vom Tod seiner kleinen Tochter auf dem Gelände. Angeblich soll sogar ein Schild vor dem Gelände davon abraten die Nacht in der Kirche bzw. auf dem Gelände zu verbringen - laut vielen verschiedenen Berichten sollen dort nämlich immer wieder Geister gesichtet worden sein. Wir jedenfalls waren tagsüber dort und haben keine Gespenster zu Gesicht bekommen - auch ein Warnschild haben wir nicht gesehen (allerdings haben wir beim Befahren des Geländes auch nicht auf alle Schilder geachtet - die meisten waren ohnehin ausschließlich norwegisch beschriftet). Ob es dort wirklich spukt kann ich nicht beurteilen - zumindest aber ist es ein schöner Ort mit einer gut erhaltenen Kirchenruine an einer landschaftlich reizvollen und von zwei Seiten mit Wasser flankierten Landzunge.
Abgesehen von ein paar Abstechern sind wir die E6 und entlang des Losna weiter nach Norden gefahren. Streng genommen handelt es bei der E6 um eine Autobahn - nach unserem deutschen Verständnis würde ich sie allerdings eher als "gemütliche und wenig befahrene Landstraße" beschreiben, die sich "kurvig durch ein flaches und langgezogenes Tal windet". Kurzum: Es macht riesig viel Spaß einfach nur der Straße zu folgen und dabei - mal auf der einen und mal auf der anderen Seite des Flusses - Blick und Gedanken in der vorbeiziehenden Landschaft zu verlieren...
Fast hätten wir Lillehammer verpasst! Einen Zwischenstop hatten wir hier zwar angedacht, dann aber doch verworfen. Zum Einen hat uns die berühmte Olympiaanlage nicht wirklich interessiert und zum Anderen sah der Wetterbericht alles andere als vielversprechend aus, sodass wir nur für einen kurzen Einkaufsstop angehalten und uns danach gleich wieder auf den Weg gemacht haben.
In Ringebu haben wir noch einen kurzen Fotostop eingelegt - dort steht eine der letzten (und gut erhaltenen!) Stabkirchen Norwegens. Sie ist landschaftlich schön gelegen und architektonisch interessant - allerdings wollten wir sie nicht allzu ausgiebig bzw. von innen erkunden, sodass wir uns nach einer guten halben Stunden wieder auf den Weg gemacht haben.
Wir haben die E6 verlassen und den Rondane Nationalpark auf der östlichen Seite etwa halb umrundet. Hier war die Gegend fast wie ausgestorben: Zwar standen überall Häuser, bei den meisten dürfte es sich aber eher um die Wochenend-Häuser der Einheimischen als um Ferienhäuser gehandelt haben: Da Holz in Norwegen reichlich vorhanden und dadurch extrem günstig ist, sind Holzhäuser dort nach wie vor das Maß aller Dinge. Und da man hier oben sehr naturverbunden ist, hat praktisch jede Familie neben dem "Alltagshaus" in der Stadt noch ein "Wochenend-Haus" in der abgeschiedenen und unberührten Landschaft. Es ist auch keine Seltenheit das sich Studenten beim Umzug in die Stadt eine Eigentumswohnung kaufen; eine Mietpreisbremse braucht man hier oben nicht - Wohnraum und Material für neue Häuser sind reichlich vorhanden.
Wir haben für die Nacht vom "Jedermannsrecht" Gebrauch gemacht und unser Zelt mitten im Nationalpark aufgeschlagen. Bis auf ein paar vorbeifahrende Autos war dort auch niemand - wir hatten wortwörtlich unsere Ruhe. Und einen phantastischen Rundum-Blick: Da wir auf einer kleinen Anhöhe campiert haben, hatten wir einen guten Blick in (fast) jede Richtung. Die aufziehenden Regenwolken hingen derart tief, dass die teils schneebedeckten Gipfel der umliegenden Berge nicht mehr zu sehen waren (wir waren aber auch auf immerhin gut 1.000 Metern Höhe, was wir durch den sanften Anstieg der letzten Stunden aber nicht als so hoch empfunden haben):
Die Nacht war kalt, regnerisch und hell: Schon in Schweden hatten wir anfangs Probleme uns an die extrem hellen Nächte zu gewöhnen - wer schon einmal im Sommer gezeltet hat weiß den Luxus von Rollläden zu schätzen. Wir waren aber vorbereitet und hatten Schlafmasken eingepackt - ein absolutes Must-have für Sommer-Camping-Urlaub in Skandinavien! Sie sehen zwar total bescheuert aus und stören anfangs ein bisschen, aber dafür ist man am nächsten Morgen ausgeschlafen und wälzt sich nicht ab 03:30 Uhr im Schlafsack von links nach rechts weil die aufgehende Sonne einen nicht weiterschlafen lässt...