Der Wecker klingelt. Ich bin müde. Eigentlich ist das etwas sehr triviales, aber heute bin ich ganz besonders müde – ich habe gestern Nacht den sternenklaren Himmel noch genutzt um ein paar Bilder von meinem Motorrad unter dem Milchstraßenbogen zu machen; die Gelegenheit war günstig, da sich das Wetter in den nächsten Tagen wohl nicht zum besseren wandeln wird - dafür kann man ruhig schon mal auf ein paar Stunden Schlaf verzichten. Zwar sind die Fotos nicht ganz so gut geworden wie ich es erhofft hatte, aber meine kleine Reise-APS-C-Kamera kann eben nicht mit der großen Vollformat-DSLR mithalten – erst recht nicht bei Dunkelheit und ohne Weitwinkel-Objektiv (die Milchstraße stand halt hoch am Himmel – da sind 18mm etwas knapp). Für ein spontanes Sternenhimmel-Shooting in einer mir völlig unbekannten Gegend finde ich das Ergebnis aber durchaus vorzeigbar.
Es ist schon erstaunlich: Zwar wohne ich recht ländlich und habe daher nur mit wenig Lichtverschmutzung zu kämpfen wenn ich des nächtens zu Foto-Touren aufbreche, aber was hier in der Gegend alles mit bloßem Auge am Sternenhimmel erkennbar ist, bin ich von zu Hause nicht gewohnt. Schon klar warum die besten / bekanntesten deutschen Astro-Fotografen meist in den Alpen unterwegs sind...
Nach einem schnellen Frühstück geht es direkt weiter: Bis zum Abend soll sich der Himmel weiter zuziehen, aber im Tagesverlauf habe ich doch mehr Glück als ich zu hoffen gewagt hatte: Es wird ein wunderschöner Tag mit vielen kurvenreichen Straßen in den bayerischen Voralpen werden! Sogar am Abend wird es trocken bleiben, sodass ich gemütlich im Biergarten meine Bilder des Tages bei einem zünftigen Bierchen nachbearbeiten kann.
Mein erster Zwischenstop ist die Burgruine Altratzenried. Da der dortige Wanderparkplatz aber wenig vertrauenswürdig aussieht (und mir unter ähnlichen Bedingungen meine kleine CB schon zwei Mal umgefallen ist), stelle ich mich etwa 500m weiter an der Landstraße in eine kleine Einbuchtung und schicke die Drohne hoch. Die kann immerhin den direktesten Weg nehmen ohne parkenzu müssen und auch ein paar schöne Bilder machen:
Einer der vielen Wasserfälle des Eistobels - hier braucht man defintiv mehr Zeit, als man bei einer "Standard-Pause" bei einer Motorrad-Tour hat.
Danach geht es weiter zum Eistobel bei Isny. Ich hatte in einer Fotografie-Zeitschrift davon gelesen und da die Bilder überzeugend waren habe ich ihn kurzerhand eingeplant. Vielleicht hätte ich mich im Vorfeld etwas genauer informieren sollen, denn ich bin davon ausgegangen dass der Eistobel ähnlich angelegt ist wie andere Wasserfälle, die ich im Schwarzwald schon besucht hatte. Nach gut einer Stunde frage ich mich langsam wann
1) der Rundweg zu Ende ist und ich wieder am Parkplatz ankomme (oder ob ich vielleicht kurzerhand den mir bereits bekannten Weg einfach zurückgehen sollte) und
2) warum ich eigentlich immer meine mehrere Kilo schwere Kamera-Ausrüstung mitschleppen muss. Klar, wenn nur ein einziges gutes Bild dabei ist hat es sich schon gelohnt das alles mitzuschleppen was ich vielleicht vor Ort gar nicht brauche - sagt zumindest die mir anhaftende Fotografen-Denke. Andererseits habe ich wegen Platzmangels im Topcase nicht meinen Rucksack sondern nur meine Umhängetasche mitnehmen können – und die einseitige Belastung ist auf Dauer schon ermüdend...
Ich treffe schließlich an einer Kreuzung mit 4 Abzweigungen auf etwa zwei Dutzend ebenfalls ratlos umherstehende Leute von denen keiner so genau weiß wo es zum Parkplatz geht. Schließlich entdecke ich doch noch ein sehr dezentes Hinweis-Schildchen das mir verrät, dass ich noch etwa eine Stunde Wegstrecke vor mir habe. Zurück wäre es auch ein Fußmarsch von einer Stunde, also entscheide ich mich für den neuen, noch unbekannten Weg. Ist schließlich spannender - so komme ist wenigstens noch ein bisschen rum, bei dem guten Wetter heute ist das ja auch ganz nett. Mit der Zeit wandelt sich der matschige Waldweg (Motorrad-Stiefel haben ja tendentiell wenig Profil und sind für solche Entdeckungs-Reisen nicht unbedingt die erste Wahl) in einen befestigten Wanderweg durch schönstes (Vor-)Alpen-Panorama: Von der einen Seite höre ich das Geläute der weidenden Kühe (bzw. dessen Glocken) – auf der anderen Seite beständiges Summen aus mehreren hundert Bienenkörben, die überall verteilt stehen. Und über alles legt sich ein permanentes Zirpen der Grillen, die es hier zuhauf gibt. Eigentlich ein sehr schöner Spaziergang und super geeignet um dem Alltag zu entfliehen. Allerdings ist da noch die schwere Tasche, die abwechselnd die eine und dann die andere Schulter malträtiert – und meine Lederjacke habe ich ja auch noch dabei…
Der Eistobel ist eine definitiv lohnenswerter Wanderweg – ob man ihn aber „im Vorbeigehen“ bei einer Motorrad-Tour einplanen sollte wage ich zu bezweifeln, immerhin ist das Gelände stellenweise recht anspruchsvoll – insbesondere nach einem längeren Regen, wenn die steilen Berghänge besonders rutschig sind.
Der große Alpsee: wundersön eingebettet in eine malerische Landschaft - und genau deshalb an schönen Tagen überfüllt
Nachdem ich den Parkplatz erreicht und mich für den nächsten Abschnitt gewappnet habe geht weiter nach Süden zum großen Alpsee – auch der ist an diesem sonnigen Samstag völlig überfüllt, sodass ich kaum die Gelegenheit zu einem schönen Foto oder etwas Ruhe habe. Egal, eine schöne Aussicht ist es allemal und die Strecken bis hierhin haben auch mächtig viel Spaß gemacht! Das ist übrigens auch besonders angenehm hier unten: Es ist fast schon egal welchen Weg man zum (nächsten) Zwischen- oder Tagesziel nimmt: die Strecken sind meist landschaftlich reizvoll, kurvenreich und auch der Asphalt ist meist akzeptabel bis sehr gut. Mehr davon wird mich morgen erwarten, wenn es nach Garmisch-Partenkirchen geht. Den Prognosen zufolge werde ich allerdings permant im Regen fahren, ich überlege also schon den ganzen Tag ob bzw. wie viele Zwischenziele ich einplanen soll...