
Tag 8: Regen, der längste Tunnel der Welt – und wieder Regen
22. Juni 2019
Tag 10: Norwegische Gebirgslandschaften & Wasserfälle I
24. Juni 2019Unfassbar - das Zelt ist die Nacht über trocken geblieben! Manchmal sind es eben die kleine Dinge... Weil die Wetterlage recht gut aussah und wir ohnehin genug Zeit hatten (das Hotel in Bergen konnten wir erst am Nachmittag beziehen) haben wir beschlossen noch einmal eine gute Stunde zurück und zu dem Stadamm zu fahren, den wir gestern entdeckt haben. Der Asphalt ist stellenweise auch im Trockenen eine Katastrophe, aber die Aussicht und das felsige Bergpanorama entlohnten diesen Umstand:
Nachdem wir uns eine gute Stunde dort aufgehalten hatten, machten wir uns auf den Weg nach Bergen. Natürlich im Regen... Mit etwa 200 Regentagen pro Jahr ist Bergen die nasseste Stadt des europäischen Kontinentes, von daher hat es uns niucht überrascht. Im Laufe des Tages haben uns noch zwei weitere kurze Schauer erwischt; man kann die Touristen ganz gut von den Einheimischen unterscheiden: Letztere haben immer (!) einen Regenschirm dabei. Selbst bei 20°C und nur ein paar Wolken am Himmel kann es passieren, dass innerhalb von nicht einmal einer halben Stunde Regenwolken aufziehen, wie wir nun aus Erfahrung wissen...
Weil wir früh dran waren, haben wir als erstes in "Gamble Bergen" einen Zwischenstopp eingelegt. Das ist ein kleines Stadtviertel im nördlichen Teil der Stadt, in dem man ein paar Häuser aus dem 18. Jhd. im Originalzustand erhält - es ist gewissermaßen ein Freiluftmuseum, in dem man durch die Gassen vergangener Zeiten stolpern und viele spannende Dinge entdecken kann - dazu gehört auch ein Museum, in dem verschiedene Geschäfte, Werkstätten und weitere triviale Dinge vorgestellt werden; insgesamt ist das kleine "Dorf" sehr liebevoll aufgemacht und auf jeden Fall einen Besuch wert, wenn man sich für Vergangenes interessiert.
Da wir früh dran waren und noch nicht im Hotel einchecken konnten, mussten wir für den Besuch des historischen Stadtviertels unsere Motorräder samt (z.T. nicht abgeschlossenem Gepäck) am Straßenrand stehen lassen. Natürlich haben wir vorher die Wertsachen in die Koffer bzw. abschließbare Taschen umgepackt bzw. mitgenommen. Während wir also am Ein- und Umpacken waren, wurden wir von einem in der Nähe stehenden und offenbar auf jemand wartenden Norweger angesprochen: Wie alle Einheimischen war auch er sehr gespannt auf unseren Reisebericht - überhaupt freuen Norweger sich sehr, wenn man von der Tour durch das Land erzählt und beim Berichten der (bisherigen) Erfahrungen ins Schwärmen kommt. Für die weitere Tour hat er uns noch ein paar Tipps für sehenswerte Sightseeing-Punkte gegeben, unter anderem einen von hinten begehbaren Wasserfall, den wir prompt für den nächsten Tag eingeplant haben. Unser Wertsachen wegschließendes Verhalten machte ihn jedoch etwas argwöhnisch - nein, "neugierig" und "irritiert" trifft es wohl eher. Warum wir denn "alles wegschließen" wollte er wissen. "Nunja, damit es nicht geklaut wird", war natürlich unsere Antwort. Seine Antwort war so selbstverständlich und überzeugend wie wir es nicht erwartet hatten: Wir seien hier in Norwegen, und nicht in Deutschland. Hier müsse man sich keine Sorgen um Kriminalität machen. Überhaupt: Hier würde niemand an ein fremdes Fahrzeug gehen und erst recht keine Gepäckstücke durchsuchen! Dass wir das so aus Deutschland nicht gewohnt und daher lieber vorsichtig waren, nahm er zwar zur Kenntnis, konnte unsere German Angst aber wohl nur zum Teil nachvollziehen...
Wir waren zwar eine gute Stunde zu früh am Hotel, konnten aber immerhin etwas eher einchecken und hatten so den Rest des Tages zur Verfügung um Bergen kennenzulernen. Als erstes haben wir die Floibanen, eine Seilbahn, die auf einen der sieben "Bergener Berge" hochfährt, angesteuert. Von dort oben habt man eine wunderbare Aussicht über die ganze Stadt; Fotos von dort oben findet man häufig in Reiseführern oder -berichten:
Wie schon erwähnt kann das Wetter hier an der Küste sehr schnell umschlagen, und so wurden wir von einem (immerhin nur 10-minütigen) Schauer erwischt. Wie bereits erwähnt: Die Einheimischen erkennt man am immer griffbereiten Regenschirm, die Touristen tümmeln sich unter dem nächstgelegenen Unterschlupf (so wie wir)... Viel mehr als der Regen haben uns aber die auf dem Floien lebenden und überhaupt nicht scheuen Bergziegen überrascht.
Kaum waren wir wieder unten, brach der Himmel auf erstrahlte in schönstem blau. Für uns Anlass genug um ohne Sinn, Verstand oder Ziel durch die Stadt zu stolpern - dabei haben wir hier und da ein paar ganz reizvolle Ecken und Seitengassen entdeckt. Irgendwo, als wir gerade ein paar Langzeitbelichtungen gemacht haben, kreischten ein Haufen Fußball-Fans - die sind hier oben genau so unerträglich wie in Deutschland... Wie wir am nächsten Morgen erfahren haben, ist die norwegische Frauen-Fußball-Nationalmannschaft an diesem Abend ins Viertelfinale eingezogen - vorausgesetzt, meine bröckeligen Norwegisch-Kenntnisse haben ausgereicht um die Schlagzeilen der Tageszeitungen korrekt zu übersetzen.
Wir sind schließlich im Hafen-Viertel gelandet - zur "goldenen Stunde" hatten wir ohnehin ein obligatorisches "Bryggen-Foto" von einem der gegenüberliegen Kais geplant. Vorher, als wir auf der Suche nach dem besten Standort von einem Mitarbeiter eines Rettungsbootes beäugt wurden wie wir Pläne schmiedend um die Boote herumliefen, sind wir jedoch noch mit ebendiesen ins Gespräch gekommen: Gerade weil er uns so auffällig unauffällig beobachtete - schließlich sind die meisten (der teils behördlichen) Boote wenig gesichert und somit jedem zugänglich - haben wir beschlossen ihn anzusprechen und so vielleicht noch das ein- oder andere Detail über die Stadt, das Land und die Menschen zu erfahren. Und genau das haben wir auch: Er arbeitete als Techniker auf einem Rettungsboot und erzählte uns ein bisschen was über sich und die Stadt. Als er erfuhr dass wir auf einer Rundreise quer duch das Land sind, war er ebenso neugierig wie alle Norweger, mit denen wir bislang ins Gespräch gekommen waren: Wo wir bisher waren, wie die Tour weitergehen würde und vor allem wie gut uns das Land gefällt wollte er wissen. Die Standard-Fragen also. Es scheint jedem Norweger wichtig zu sein dass man sich als Gast in dem Land wohlfühlt - man ist stolz auf die weite und teils unberührte Natur, auf die vielen Sehenswürdigkeiten und natürlich auch die Geschichte. Alle versuchen stets einem den Aufenthalt noch spannender zu gestalten, indem sie bereitwillig Tipps für weitere Ausflugsziele geben. Das war es dann aber auch schon. Genauso schnell wie wir ins Gespräch gekommen waren, war es auch wieder vorbei - das Thema war beendet also drehte er sich um und war wieder mit irgendwas beschäftigt. Nach immerhin gut einer Viertel Stunde gegenseitigen Informationsaustausches... Das haben wir an verschiedenen Stellen so oder so ähnlich erlebt; viele Norweger sind sehr freundlich, hilfsbereit und auskunftswillig, aber letztlich doch oberflächlich gegenüber Fremden.
Was wir nebenher schon beobachtet haben: Je besser das Wetter wurde, desto mehr Boote tummelten sich auf dem Wasser. Zum Abend hin wurde es auf den Straßen immer leerer; alle Bergener schienen jeweils ein eigenes Boot zu besitzen und den milden Sommerabend partout nicht auf dem Land verbringen zu wollen. Man liest zwar überall davon, dass insbesondere die Küstenbewohner vom Wasser angezogen werden - aber das es auf dem Wasser aussieht wie die A1 zu Ferienbeginn hatten wir nicht erwartet...