
Dritter Tag: “Wasser-Tour” bei Regen
28. August 2018
Fünfter Tag: Ein teures Versehen in Stockholm
30. August 2018Tag vier stand ganz im Zeichen längst vergangener Zeiten: Auf unseren rund 500km standen reichlich Zwischenstopps an, auf denen wir uns näher mit den Einzelschicksalen mehrerer Burgen und Festungen befasst haben. Der Süden Schwedens beherbergt bis heute viele mehr oder weniger gut erhaltene Ruinen; vor allem an Burgen mangelt es in diesem Fleckchen Erde nicht. Wer Interesse hat findet hier eine gute Übersicht.
Zunächst haben wir uns auf den Weg nach Växjö gemacht. Ich bin zwei Jahre zuvor schon über die Festungsmauern der Kronoberg Slottsruin gekraxelt: Sie liegt auf einer kleinen Insel inmitten eines dunklen Sees und ist abgesehen von den hölzernen Dachkonstruktionen und ein paar Kriegsbedingten Mauernschäden recht gut erhalten. Man muss zwar einen kleinen Obolus bezahlen - der kommt aber immerhin den regelmäßigen Restaurierungsarbeiten zugute. Blöderweise wurde, als wir dort waren, gerade die Wehrmauer restauriert weshalb der Aufstieg gesperrt war und wir uns nur ebenerdig umsehen konnten. Ich finde sie ist, auch und vor allem wegen ihrer Lage, eine der schönsten Burgruinen und immer einen Besuch wert!
Weiter ging es ostwärts zur Hafenstadt Kalmar - weitgehend über einsame Waldstraßen ohne Mittelstreifen - nur alle paar Minuten kam uns mal ein Auto entgegen; hier und da waren kleinere Dörfer (vorausgesetzt, man bezeichnet eine Ansammlung von 3-8 Häusern schon als "Dorf"). Ansonsten waren weit und breit kaum Anzeichen für Zivilisation zu erkennen. Plötzlich tauchte auf der linken Seite eine Lichtung auf - gerade einmal 30x30 Meter groß, wenn überhaupt. Und mittendrauf: ein altes, verlassenes Haus mit mossigem, bewachsenem Dach. So schnell diese Festung der Einsamkeit auftauchte war sie auch schon wieder verschwunden. Sicher, "baufällig" ist noch ein eher optimistischer Begriff um dieses Haus zu beschreiben (s. Bilder). Trotzdem fände ich ein solches Häuschen, zumal in einer solchen Lage, sehr reizvoll. So ähnlich haben wir noch vor einigen Jahren in den hintersten Winkeln des Münsterlandes gelebt: in einem Haus mitten im Naturschutzgebiet. Klar, eine Glasfaserleitung darf man dort nicht erwarten. Aber hier hat man definitiv seine Ruhe!
Nach ein paar Fotos ging es planmäßig weiter nach Kalmar: Diese Hafenstadt vor Öland ist vor allem wegen des Kalmar Slott berühmt. Diese gigantische Festung mit seinen meterdicken Kanonengesäumten Mauern wurde nie eingenommen und hat Schweden zur Ost(see)seite hin erfolgreich verteidigt. Gleichzeitig sagen einem jedoch die fast schon märchenhaften Türme, dass dieses Schloss eben auch für offizielle und repräsentative Zwecke genutzt wurde und dass hier eben nicht nur ein kriegerischer, rauer Alltag geherrscht haben kann sondern sicher auch der ein oder andere Ball stattgefunden haben wird. Immerhin wurde das Schloss regelmäßig als Residenz der Königsfamilie genutzt. Das hätte man zwar alles bei einem Rundgang durch das hauseigene Museum noch detaillierter erfahren können. Haben wir aber nicht, weil uns dieses gigantische Bollwerk dann doch zu langweilig und zu gut erhalten war. Wir wollten schließlich Burgruinen sehen!
Also ging es noch weiter nach Osten. Noch weiter als bis zur Ostküste Schwedens? Ja - und zwar rüber nach Öland, der Insel zwischen Schweden und Lettland / Litauen. Die Überfahrt über die ca. 6km lange Brücke dauert normalerweise nur ein paar Minuten. Blöderweise wurde der Verkehr Baustellenbedingt auf eine Fahrspur reduziert. Bei beginnendem Berufsverkehr. Wir haben für die paar Kilometer also eine knappe dreiviertel Stunde gebraucht. Naja, macht ja nix. War ja Urlaub. Da ist man entspannt. Im Stau. Bei gefühlt 75°C unterm Helm…
Schlussendlich haben wir dann aber doch noch unseren nächsten Sightseeingpunkt erreicht: Die Ruine der Festung Borgholm. Wegen dem ewig langen Stau kamen wir aber die klassischen fünf Minuten zu spät; sie hatten den Zutritt zum Innenareal gerade zugemacht. Schade, denn diese riesige Ruine hat aus dem inneren heraus sicherlich viel Charme! So blieben uns nur ein Spaziergang um das alte Gemäuer herum und ein paar Bilder von dessen beeindruckender Fassade vor dem Hintergrund der sich senkenden Sonne. Scheisse, so spät schon? Schnell noch zum letzten Tagesziel und dann ab nach Hause!
Ebenfalls auf Öland, etwa 30km weiter südlich, liegen die Überreste der Burg Gråborg. Diese ehemalige Fliehburg hat wohl so manches Mal der Landbevölkerung Schutz vor den einfallenden Dänen geboten. Heute kann man eigentlich nur noch eine kreisrunde Ansammlung von Steinen und ein paar Torbögen erkennen; verhältnismäßig gut erhalten ist hingegen die der Burg etwas vorgelagerte Kirche. Die Ruinen liegen auf dem Areal eines heutigen Bauernhofes - die Besitzer dulden zwar den regen Publikumsverkehr, sind aber wortkarger als der Rest des Landes. Die noch stehenden Überreste verfallen auch und vor allem wegen kletternder Touristen leider immer mehr. Ich finde es immer wieder beeindruckend was unsere Vorvorvor…vorvorfahren aus ein paar Steinen und etwas Mörtel geschaffen haben und dass diese Bauwerke teils bis heute Bestand haben. Sicher, kulturell und historisch ist nicht jedes Bauwerk bedeutend. Aber immerhin ist speziell die Anlage der Burg Gråborg über eineinhalbtausend Jahre alt (sie hat noch das Zeitalter der Römer erlebt!) - schade dass es einigen Mitmenschen egal ist welche Schäden sie anrichten…
Der leidige Rückweg hat diesem ansonsten sehr schönen Tag dann einen Dämpfer verpasst: Durch die Dämmerung, einsetzenden Regen und die sich ausbreitende Müdigkeit habe ich ohne lange nachzudenken "schnellste Route" im Navi ausgewählt - immerhin noch gut 200km. Wäre ich meinem ursprünglichen Plan gefolgt hätten wir jetzt einfach irgendwo in der Prärie das Zelt aufbauen und uns in die warmen Schlafsäcke kuscheln können; das rhythmische Trommeln des Regens auf der Zeltplane hätte uns sicher schnell einschlummern lassen. Aber so..?