Erster Tag: Anfahrt bis Rostock und die irrwitzige Annahme auf der Nacht-Fähre schlafen zu können
26. August 2018Dritter Tag: „Wasser-Tour“ bei Regen
28. August 2018Wenn man zum ersten Mal in seinem Leben in der Kabine einer Nacht-Fähre liegt und das rhythmische Gebollere der wasweißichwievieltausend-PS-Motoren einen erfolgreich davon abhalten ein kleines bisschen Schlaf zu finden, gehen einem die merkwürdigsten Dinge durch den Kopf. Wie weit es unter einem in die eisige Tiefe der Ostsee hinunter geht, zum Beispiel. Die Estonia kommt einem in den Sinn. Oder dass man sich nicht gemerkt hat wo der nächste Notausgang ist und wie lange wohl dauert bis ein Kahn dieser Größe vollgelaufen wäre. Naja, wird schon gut gehen. Immerhin heißt unser Schiff "Huckleberry Finn" - und der hat sich auch immer wieder erfolgreich durchgeschlagen.
"Mindestens 100m, wahrscheinlich noch mehr" ist meine geratene Antwort, als ich Lars beim Frühstück von meinen nächtlichen Gedanken berichte. Er geht von "nicht mehr als 50m" aus. Da wir noch zu weit von der Küste entfernt sind haben wir keinen Empfang und können nicht nachlesen wer Recht hat.
Die Ankunft in Schweden ist schnell vorbei: Rauf auf's Motorrad, runter von der Fähre, quer über den Hafen, ohne Anzuhalten durch die geöffnete Zoll-Schranke und raus aus der Stadt. Wir fahren ein paar Stunden landeinwärts und machen hinter Tjörnarp einen Kaffee-Stop bei einer Tanke, die ihre Einfahrt mit einem aufgespießten VW Käfer dekoriert und allerlei alten Plunder in dem angebauten Restaurant ausgestellt hat.
Weiter geht's Richtung Norden; wir kommen in der Nähe von Ullstorp an einer dieser typischen schwedischen Seenlandschaften vorbei und halten kurz für ein Foto. Klar werden wir noch ein paar Dutzend davon zu sehen bekommen - dennoch ist diese Landschaft so faszinierend schön, dass sich gleich eine gehörige Portion Neid gegenüber dem Bewohner des einzigen Hauses am See ausbreitet. Bevor wir spontan und mit Nachdruck den Mietvertrag ändern fahren wir lieber weiter…
Der Zufall führt uns durch eine Flusslandschaft bei Ringamåla - auch hier ist ein Fotostop Pflicht. Ein steingesäumter Flusslauf schlängelt sich unter einer alten Brücke durch - einzig ein paar alte Grundmauern lassen auf frühere Bewohnung schließen, ansonsten ist weit und breit nichts von anderen Menschen zu sehen oder hören. Gerade als wir einpacken wollen, fallen die ersten Regentropfen und es beginnt sich zuzuziehen. Der ideale Augenblick um meine neu erworbene Regenkombi einem ersten Stresstest zu unterziehen.
Der gesamte Regen, der den ganzen Sommer über nicht gefallen ist, kommt schlagartig an einem Nachmittag runter. Da wir erst ab 17:00 Uhr in das Ferienhaus konnten, stand eigentlich noch ein Umweg über Karlskrona inkl. einem Besuch des dortigen Marine-Museums sowie der Burgruine Lyckå an - doch bei diesem Dauerregen haben wir spontan die Route abgekürzt und uns lieber noch ein Stündchen in eine Pizzeria verzogen um wenigstens ein bisschen zu trocknen. Während ich auf Nummer sicher gegangen bin (Pizza Hawaii) hat Lars sich etwas bestellt, von dem er dachte dass es eine Thunfisch-Pizza wäre. War es aber nicht. Er hat sich trotzdem tapfer durch das gegessen, was sich als Pizza garniert mit allerlei verschiedenen Meeresbewohnern herausgestellt hat.
Trotz dem wir auch an Växjö vorbeigekommen sind, haben wir den Besuch der dortigen Burgruine auf später verschoben und sind weiter gen Norden gefahren.
Ein weiterer Zwischenstop zum trocknen brachte uns zum örtlichen "Sybilla" einer der beiden großen schwedischen Burger-Ketten. Klar ist das Fastfood, aber lustigerweise haben McDonald's und Burger King in Schweden kaum Präsenz - ganz einfach weil die Burger bei Sybilla unglaublich lecker sind (mit der fettigen und labbrigen Pampe die hierzulande als "Burger" bezeichnet wird hat das nämlich nichts zu tun). Wir waren noch häufiger bei Sybilla…
Am späten Nachmittag sind wir, durchnässt und müde, an unserem Ferienhaus etwas nördlich von Nässjö angekommen. Es wurde 1907 errichtet und hat seinen ganz eigenen Charme: Typisch skandinavisch ist es eng und niedrig gebaut und die Treppe nach oben ist steil und schmal (in der touristischen Sprache wird die Tatsache, dass man sich als großer Menschen ständig die Rübe an irgendwas stößt, glaube ich, als "gemütlich" tituliert). Das Badezimmer wurde irgendwann einmal nachträglich angebaut und die gesamte Elektrik ist, sagen wir mal, "abenteuerlich". Wie wir später in Gesprächen mit Einheimischen erfahren haben sind in Schweden die Bauvorschriften etwas anders als in Deutschland: Sanitäranlagen müssen von Fachbetrieben installiert werden - sämtliche Elektroarbeiten darf man jedoch eigenhändig vornehmen… Immerhin handelt es sich hier um einen Zeltersatz der sehr günstig war und in dem wir nur schlafen und frühstücken werden. Es gibt richtige Betten (zwar skandinavisch schmal, aber mit Matratze), Strom, fließendes Wasser, eine Dusche und eine Küche. Passt schon…
Bevor wir zu sehr trocknen fahren wir noch schnell einkaufen und trinken Abends das erste schwedische Bier während wir bereits den ersten "richtigen" Urlaubstag planen - das lässt uns die Strapazen der Hinreise zumindest etwas vergessen.
Die Ostsee ist übrigens (an der tiefsten Stelle) 459m tief.