Zehnter Tag: Wenn das Besondere zur Selbstverständlichkeit wird
4. September 2018Zwölfter Tag: Rote Runen, schwarze Stiefel und ein großer Stein
6. September 2018Nachdem wir bislang rund 4.500km gefahren sind, haben wir mal wieder einen "Day off" eingelegt und sind weitgehend in unserer Region geblieben ohne eine große Tour zu fahren. Ich war ohnehin nicht so ganz ausgeschlafen: warum es offenbar in ganz Skandinavien keine Rollläden zu geben scheint ist mir ein Rätsel. Bekanntlich werden die Unterschiede zwischen Sommer und Winter, allen voran die Sonnenstunden, größer, je mehr man sich den Polen nähert. Und mal ehrlich: Wenn einen im Sommer ab vier Uhr morgens die Sonne durch diese papierdünnen Vorhänge anlächelt war es das mit ausschlafen (ich hatte blöderweise das Schlafzimmer zur Ostseite)…
Mein Ersatz-Akkuder Kamera neigte sich langsam aber sicher dem Ende zu und so haben wir zunächst einen Fotoladen im Ort ausfindig gemacht: Wir sollten nach zwei, drei Stunden wiederkommen, man würde sich in der Zwischenzeit meines Akkus annehmen. Cool!
Wir haben uns die Zeit dann im nicht weit entfernten Jönköping mit dem Besuch des Husqvarna-Museums vertrieben. Ist schon erstaunlich was diese Firma im Laufe der Jahrhunderte so alles hergestellt hat: Waffen verschiedenster Arten und Kaliber, Tresore, Nähmaschinen, Öfen und elektrische Herde, Fahrräder, Motorräder, Außenbordmotoren, Schneemobile, Rasenkantentrimmer, Kettensägen, Saunaöfen, Camping-Toiletten sowie Rasenmäher in zig verschiedenen Varianten (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Einzig Husqvarna-Kaffeemaschinen haben wir nicht im Museum entdeckt; trotz der Kaffeesucht der Schweden hat diese Allround-Firma wohl allein an dieser Stelle auf Importe gesetzt. Übrigens: Husqvarna hat zuerst und sehr sehr lange ausschließlich Gewehre gebaut. Das Firmenlogo zeigt daher (auch heute noch) einen Gewehrlauf von vorne, inklusive Kimme & Korn.
Nach dem Museumsbesuch haben wir noch den angrenzenden Berg erklommen. Zwar wussten wir dass der Jönköpinger Wasserfall schon seit ewigen Zeiten gezähmt und seine Kraft zur Stromproduktion genutzt wird, wir waren aber neugierig auf den Ausblick von da oben. Der ist leider durch den dichten Wald nicht sonderlich berauschend, daher haben wir auf etwa der halben Höhe wieder den Abstieg angetreten.
Zurück in Nässjö hatte man meinen Akku inzwischen wieder voll geladen, wollte aber weder etwas dafür haben noch ein kleines Trinkgeld annehmen. Als kleines Dankeschön habe ich dem Laden dann aber zumindest eine entsprechende Google-Bewertung gegeben. Sehr nett diese Schweden!
Zum Nachmittag hin sind wir ins benachbarte Eksjö aufgebrochen und haben dort zunächst einen verdammt leckeren Kaffee kredenzt bekommen. Eigentlich hatte Lars das Cafe nur herausgesucht weil es auf dem Heimweg von der Kleva Gruva gelegen hatte und er den Namen so witzig fand (Lennarts Konditori - wir haben natürlich angenommen dass der Laden niemand geringerem als Leonard Nimoy gehören könnte - die Innen- & Außeneinrichtung lies jedoch stark schwedische Traditionen erkennen, daher war unsere Theorie wohl falsch). Weiter ging es zu Fuß auf einem Rundgang durch die Stadt: Eksjö ist ein kleines, ruhiges, fast schon verschlafenes Städtchen, in dem wohl nie wirklich viel los ist. Sicher, dort laufen ein paar Touristen rum und es gibt sicherlich auch eine handvoll historisch relevanter Sehenswürdigkeiten, aber insgesamt ist es vor allem eins: gemütlich und so gar nicht hektisch. Genau das richtige für so einen Tag wie heute!
Auf dem Rückweg zu den Motorrädern sind wir noch an einem Systembolaget vorbeigekommen; das sind die schwedischen "Schnapsläden". Alles über 3,5 vol.-% darf nämlich nicht in Supermärkten oder sonst wo verkauft werden, sondern ist ausschließlich in diesen Läden zu haben (die Öffnungszeiten sind streng und die Kontrollen noch strenger). Wir haben noch ein paar Bierchen für die letzten beiden Abende eingekauft (sogar mit spitzenmäßiger Beratung) und staunten nicht schlecht als der Kassierer meinen Ausweis sehen wollte (für diejenigen die mich nicht persönlich kennen: Mit meinen dato 33 Jahren sah ich so garnicht nach "Grenzwertig 18" aus). Er fragte schließlich ob das Bier für uns beide sei. Ja klar, warum? Nun verlangte er auch Lars' Ausweis (er zwei Jahre älter ist als ich und sieht mit seinem Vollbart ebenfalls so gar nicht "Grenzwertig 18" aus). Selbst die mittlerweile auf gut ein halbes Dutzend einheimischer Kunden angewachsene Schlange konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Aber jeder hatte Verständnis und vor allem Zeit, niemand drängte den Kassierer zur Eile oder nörgelte - so ist das eben da oben, man geht alles deutlich entspannter an als in Deutschland. Ich weiß zwar nicht welche Strafe den Kassierer beim Verkaufen von Alkohol an Minderjährige erwartet hätte - sie würde jedenfalls sehr hoch ausfallen und ihn mit Sicherheit mindestens arbeitslos machen. Die schwedische Regierung versteht an dieser Stelle keinen Spaß - Kontrollkäufe finden regelmäßig statt und auch die Öffnungszeiten werden auf die Minute genau eingehalten! Zu guter letzt habe ich - natürlich - mit meiner Kreditkarte bezahlt (womit auch sonst dort oben?!). Die Sicherheitsrichtlinien meiner Bank verlangen, wenn nicht anders möglich, immer eine Autorisierung per Unterschrift - in Schweden ist es hingegen üblich dass man Bezahlungen per PIN bestätigt, und so wunderte sich unser überaus korrekter Kassierer über eine seltsame Nachricht im Display seines Kartenlesers. "I think I have to sign" half ich seinem irritiertem Blick auf die Sprünge. Hatte er wohl schon lange nicht mehr. Es hat ein Weilchen gedauert bis er irgendwo einen Kugelschreiber fand. Meine Kreditkarte hatte ich natürlich schon längst wieder weggepackt und das Portemonnaie eingesteckt - als ihm auffiel dass er ja noch meine Unterschrift kontrollieren müsste. Nicht dass ich die Karte irgendwo geklaut hätte. So lange habe ich selten für das bezahlen von ein paar Bieren gebraucht. Aber immerhin waren alle Anwesenden sich einig darüber dass alles, aber auch wirklich ALLES seine Richtigkeit hatte…
Prost!